Vor dem Niedergang der UdSSR wurde der Konflikt um Berg-Karabach als innere Angelegenheit der Sowjetunion betrachtet. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR wurde dieser Konflikt zu einem zwischenstaatlichen Konflikt, der sich in einen Krieg zwischen zwei Subjekten des Völkerrechts, der Republik Aserbaidschan und der Republik Armenien verwandelte. Im Januar 1992 wurden beide Staaten in ihren während der UdSSR bestehenden Grenzen in die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), und im Marz 1992 in die UNO aufgenommen. Während sich die Situation in Berg-Karabach für die Aserbaidschaner stetig verschlechterte, ließ sich der aserbaidschanische Präsident Ajas Mutalibow Zeit mit der Gründung einer einsatzfähigen nationalen Armee. Inzwischen wurden die Niederlagen d e r Aserbaidschaner in Berg-Karabach immer deutlicher und schmerzlicher.
Im Mai 1992 nahmen die Armenier zwei wichtige aserbaidschanische Städte ein – Schuscha und Latschin. Dieser Erfolg öffnete den Armeniern den strategisch wichtigen Verbindungsweg zwischen der Republik Armenien und Berg-Karabach über die Berge. Drei Monate vor der Okkupation der strategisch wichtigen Rayons Schuschaj und Latschin richteten armenische Truppen im Februar 1992 unter Beteiligung von 366 in der Stadt Chankendi (Stepanakert) stationierten motorisierten Regimentern der russischen Armee ein wahres Blutbad unter der aserbaidschanischen Bevölkerung in der Stadt Chodschaly an. Im Verlauf der Besetzung dieser
Ortschaft, wo noch 3000 der 7000 Bewohner geblieben waren, wurde diese größtenteils zerstört. Zum Zeitpunkt der Besetzung war Chodschaly voller Kranker, Verletzter, Alter, Frauen und Kinder – alle, die nicht hatten fliehen können. Vor der Besetzung war die Stadt vier Monate lang von armenischen Einheiten umstellt gewesen. Aserbaidschanische Quellen sprachen zunächst von 1.000 Toten bei dem Blutbad, das während und nach der Besetzung von Chodschaly angerichtet wurde. Der Pressedienst des Verteidigungsministeriums der Republik Aserbaidschan gab dann offiziell 700 Tote in Chodschaly an. An den Besiegten wurden für eine zivilisierte Gesellschaft unvorstellbare Gräueltaten begangen (es wurden Tote skalpiert und deren Augen herausgerissen). Unter den Toten waren 116 Frauen und 83 Kinder. Sechs Familien wurden völlig ausgelöscht, 25 Kinder verloren beide Eltern, 130 Kinder verloren einen Elternteil, 1275 Personen wurden festgenommen, davon waren 487 schon vor ihrer Festnahme schwer verletzt oder verstümmelt worden. Das Blutbad in Chodschaly war nichts anderes als eine verbrecherische ethnische Säuberung in einer einzigen Ortschaft, ein Vorbote weiterer ähnlicher Verbrechen. Diese verbrecherischen Kriegshandlungen verfolgten das Ziel, die aserbaidschanische Seite einzuschüchtern, und nicht nur das Militär, sondern auch die Zivilbevölkerung, den Aserbaidschanern den Willen zum Widerstand zu nehmen und damit weitere Siege zu erleichtern. Trotz der offiziellen Leugnung der Schuld an dem Blutbad in Chodschaly durch Erewan – entgegen der zahlreichen Fakten, die den Forschem dieser Tragödie zur Verfügung stehen, sowie Augenzeugenberichten – wird die Schuld der armenischen Seite indirekt durch die Worte des Verteidigungsministers S. Sarkisjan bestätigt: „…vor Chodschaly dachten die Aserbaidschaner, man könne mit uns ,,Schlittenfahren“, sie dachten, die Armenier (Unterstreichung von mir – J.R.) seien nicht in der Lage, die Fland gegen die Zivilbevölkerung zu erheben. Diesen Stereotyp konnten wir zerschlagen. Das ist passiert. Und man muss berücksichtigen, dass unter diesen Jungs Leute waren, die aus Baku und Sumgait geflohen waren“. Ist es denn eine Übertreibung, die Tragödie in Chodschly nicht nur einfach als Blutbad, sondern auch als Völkermord (Vernichtung einer ethnischen Gruppe ganz oder teilweise in einer einzelnen Ortschaft), als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit einzustufen?
Die Rechtsverteidiger der internationalen Organisation „Human Rights Watch“ haben die Tragödie in Chodschaly als ,,Massaker“ und das Blutbad unter der Zivilbevölkerung als Kriegsverbrechen eingestuft.
Das Blutbad in Chodschaly ist dem Verbrechen in Srebrenica vergleichbar, bei dem 7.000 Moslems ermordet wurden. Dieses Verbrechen wurde am 26. Februar 2007 in Den Haag vom Internationalen Gerichtshof der UNO unter dem Vorsitz der Englanderin Rosalynn Higgins als Völkermord und als Verbrechen gegen die Menschheit verurteilt. Obwohl sich die Größenordnung der Verbrechen in Srebrenica und in Chodschaly in der Anzahl der unschuldigen Opfer unterscheidet (7000 bzw. 1000), der ,,Qualität“ nach ist das Verbrechen in Chodschaly noch schlimmer: in Srebrenica wurden Männer und Jugendliche in Gefangenschaft ermordet, und in Chodschaly nicht nur diese, sondern auch Frauen und Kinder. Wer auch persönlich an dem Verbrechen in Chodschaly schuld war (das ist Sache eines, so kann man hoffen, zukünftigen Gerichts), es wird ihm nicht gelingen, auf ewig unbekannt zu bleiben. Die aserbaidschanischen Politiker und die Juristen bestätigten stets, dass es sich im Falle von Chodschaly zweifellos um Völkermord handelt und bezogen sich völlig begründet auf die Definition des Völkermordes in den Dokumenten der UNO (beispielsweise vom 9. Dezember 1948) und auf die Gesetzgebung in einigen europäischen Ländern.
Genau so werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit in Friedenszeiten bewertet. Unter Kriegsverbrechen werden Verbrechen von Organisationen oder Einzelpersonen gegen international anerkanntes Kriegsrecht verstanden. Als Kriegsverbrechen gilt beispielsweise das Verhöhnen und Foltern von Gefangenen oder eine Geiselnahme unter der Zivilbevölkerung. Nach dem Londoner Abkommen vom 8.8.1945, in dem genaue Definitionen von Kriegsverbrechen gegeben werden, weist eine enge Verbindung der letzteren auf Verbrechen gegen die Menschheit hin. Solche Verbrechen sind beispielsweise der Verstoß gegen die Menschenwürde, gegen die Würde der menschlichen Persönlichkeit, verbrecherische Handlungen gegen Gesundheit, Leben, persönliches Eigentum u.a. Unverständlich ist die Tatsache, dass für die Völkermord-Tragödie in Chodschaly bis heute niemand vom internationalen Gerichtshof zur Rechenschaft gezogen worden ist. Inzwischen gibt das Völkerrecht der Republik Aserbaidschan im Falle von Chodschaly ein breites Spektrum juristischer Möglichkeiten, die heute von der Regierung in Baku bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Oberfalle auf unbewaffnete Zivilisten, Kinder, Frauen, Alte und Krankenhauser sind mit keiner Ausrede zu rechtfertigen. Schon vor 2500 Jahren hat der altgriechische Historiker Fukidid (um 460-400 n. Chr.) in seinem Werk über den Peloponnesischen Krieg (431-404 n. Chr.) zu Recht behauptet, der Überfall einer feindlichen Armee auf Zivilisten sei immer ein Verbrechen.
Ähnliche Verbrechen, die vor relativ kurzer Zeit oder vor vielen Jahrzehnten verübt wurden, ihre zahlreichen Opfer und deren heute noch lebenden Verwandten warten in vielen Ländern auf eine gerechte internationale gerichtliche Untersuchung. In diesen Fällen ist „Zurückhaltung“ eine große Sünde gegenüber dem Gedenken der unschuldigen Toten. Davon zeugen beispielsweise die Zehntausende von Ermordeten in den polnischen Lagern Stschalkow und Tuchol 1919-1920.
Und mit welchen Worten soll man das Entsetzen der 1946 wahrend des Pogroms in der polnischen Stadt Kelzy umgekommenen Juden beschreiben, die durch ein Wunder den Todeslagern der Faschisten entronnen und in ihre Heimat zurückgekehrt waren.
Die Tragödie in Chodschaly und der schreckliche Tod von Hunderten von unschuldigen Frauen und Kindern haben einen solchen Schock in der aserbaidschanischen Gesellschaft ausgelost, dass Präsident Ajas Mutalibow sich nicht an der Macht halten konnte und im Marz 1992 zurücktreten musste. Der im Juni 1992 gewählte Präsident Abdulfas Eltschibei377 war ein Jahr nach seiner Wahl in der gleichen Situation wie sein Vorgänger. Die anhaltenden schweren Niederlagen Aserbaidschans führten dazu, dass im Frühjahr 1993 die letzten sich noch widersetzenden Ortschaften im Latschin-Korridor und im Kelbadscharskij Rayon von den Armeniern besetzt wurden. Zwischen Juli und Oktober 1993 besetzten die Armenier Agdara (7.7.1993), Agdam (23.7.1993), Gubadli (31.8.1993) und Sangilan (23.10.1993). Danach besetzten die Armenier außer Berg-Karabach auch die strategisch wichtigen Gebiete (insgesamt sieben Rayons) im Südwesten Aserbaidschans. Seit dieser Zeit sind rund 20% des Territoriums von Aserbaidschan vom lebenden Organismus des Landes abgeschnitten. Und alle internationalen Organisationen sind scheinbar machtlos gegen diesen Raub eines Staates an einem anderen. Es entstand nach dem Zusammenbruch der UdSSR der erste Präzedenzfall eines ungestraften Angriffs mit Besetzung fremder Territorien.
Der UN-Sicherheitsrat hat bezüglich der Besetzung der aserbaidschanischen Territorien durch die Armenier allein in 1993 vier Resolutionen, die die Besetzung verurteilen, verabschiedet:
Die Resolutionen Nr. 822 vom 30.4.1993, Nr. 853 vom 29.7.1993, Nr. 874 vom 14.10.1993 und Nr. 884 vom 12.11.1993 (siehe Abriss „Die wichtigsten Dokumente bezüglich der Rechtslage von Berg- Karabach, der Okkupation eines Teils des Territoriums der Republik Aserbaidschan durch die Armenier und einer möglichen friedlichen Lösung des Konfliktes“). Zusammengefasst enthielten diese Resolutionen die folgenden wichtigsten Bestimmungen (s. Anhang):
– Die armenischen Truppen sind aus den von den Armeniern besetzten Gebieten Aserbaidschans abzuziehen und die Kriegshandlungen von Armenien gegen Aserbaidschan einzustellen.
– Unterstrichen wurde die Unantastbarkeit der territorialen Integrität von Aserbaidschan und Armenien in den Grenzen vor dem Niedergang der UdSSR.
– Die Gewaltanwendung zum Gebietserwerb wurde verurteilt.
– Armenien wird vom Sicherheitsrat aufgefordert, die Waffenlieferungen an Berg-Karabach einzustellen und seinen Einfluss dahingehend zu nutzen, dass die Resolutionen des Sicherheitsrates erfüllt werden.
Sowohl Aserbaidschan als auch Armenien waren mit diesen Resolutionen unzufrieden. Darin wurde die wichtigste politische Forderung Bakus, die Okkupation eines Teils des Territoriums von Aserbaidschan im offiziellen UNO-Dokument als Aggression und Armenien als Angreifer zu bewerten, nicht erfüllt. Die armenische Seite machte hingegen geltend, diese Resolutionen gaben der armenischen Bevölkerung von Berg-Karabach keinerlei Sicherheitsgarantien.
Im Marz 1993 führten die Armenier die Kelbadschar-Operation durch. Entlang des Latschin-Korridors wurde einen zweiten Korridor geschaffen, der Armenien mit Berg-Karabach verband. Es wurde nicht nur das Territorium von Karabach eingenommen, sondern auch fast ein Viertel des restlichen Gebiets von Aserbaidschan, darunter ein 17 Kilometer langer Abschnitt der aserbaidschanisch-iranischen Grenze. Die Rechnung der Armenier auf Anwendung der ,,bewahrten“ israelischen Strategic „Land für Frieden“ ging jedoch nicht auf – die Armenier waren bereit, die besetzten aserbaidschanischen Gebiete im Austausch für die Anerkennung der Unabhängigkeit von Berg- Karabach zu raumen. Innerhalb dieser Logik wurde auch vorgeschlagen, dass man sich desto leichter mit Baku einigen könne, je mehr aserbaidschanische Gebiete die Armenier einnehmen würden. Diese Plane gingen nicht auf: die aserbaidschanischen potentiellen Möglichkeiten erlaubten der Leitung und der Elite des Landes nicht, an die Annehmbarkeit solcher Vereinbarungen für die Bevölkerung auch nur zu denken.
Die politischen Folgen der Okkupation von Gebieten außerhalb Berg-Karabachs erwiesen sich, insbesondere nach dem Verlust von Kelbadschar und dem Tod zahlreicher aserbaidschanischer Fluchtlinge aus diesem Rayon, in Aserbaidschan als verheerend. Ein Teil der Fluchtlinge aus dem Kelbadscharskij Rayon geriet in einen Hinterhalt und wurde physisch vernichtet, ein Teil verhungerte und erfror während der Überquerung der Gebirgspasse. In vielem erwiesen sich diese verbrecherischen Handlungen als Folge einer Position, die von der damaligen Regierung von Berg-Karabach eingenommen wurde. So erklärte der Vorsitzende der GKO des Rayons Berg-Karabach Kotscharjan damals: “Um im wörtlichen Sinn zu überleben, muss man die Gegenseite ebenso leiden lassen. Das ist das Gesetz des Krieges”. Nach diesem ,,Gesetz“ handelnd okkupierten und zerstörten armenische Truppen die meisten aserbaidschanischen Dorfer und Städte im ehemals autonomen Gebiet. Aus den Rayons Latschin und Kelbadschar wurden auch alle Kurden vertrieben. In Gjandscha begann ein Putsch unter dem aserbaidschanischen Oberst Suret Guseinow, der mit seinen Regimentern auf Baku marschierte.
Die Regierung entschloss sich zu Verhandlungen mit Guseinow und rief den ehemaligen Parteileiter von Aserbaidschan, Heidar Alijew, aus Nachitschewan zu Hilfe. Am 18. Juni 1993 trat Präsident Eltschibei zurück, um ein, wie er es nannte, „brudermörderisches Blutvergießen“ zu verhindern, und der erfahrene Staatsmann Heidar Alijew übernahm die Macht in der Hauptstadt. Im Oktober 1993 wurde er zum Präsidenten der Republik gewählt und 1998 a u f weitere fünf Jahre wiedergewahlt. Der erfahrene Politiker Heidar Alijew, der zu Sowjetzeiten auch Mitglied des Politbüros der KPdSU gewesen war, vermöchte Aserbaidschan vor einem herannahenden Bürgerkrieg zu retten.
Die militärischen Auseinandersetzungen Aserbaidschans mit den Armeniern endeten Mitte 1994 durch einen Waffenstillstand. Er wurde von Russland und der OSZE vermittelt und im Protokoll von Bischkek (Mai 1994) festgehalten. Der Krieg wurde ausschließlich auf aserbaidschanischem Gebiet geführt und kostete 30.000 Menschenleben. Der Konflikt zog 1,3 Millionen Flüchtlinge nach sich, von denen über eine Million Aserbaidschaner waren/’80 Das Aussenministerium der Republik Aserbaidschan schätzt den Aserbaidschan durch die armenische Aggression zugefugten materiellen Schaden auf etwa 60 Milliarden US-Dollar. In der Periode der Aggression wurden zahlreiche Kulturdenkmaler stark beschädigt oder gänzlich zerstört.
Über die Folgen der Aggression seitens Armeniens, in erster Linie über die zerstörten historischen Denkmaler und andere zugefugten Schaden werden von der Heidar-Alijew-Stiftung zahlreiche Bücher und Broschuren herausgegeben. Die Präsidentin dieser Stiftung, Frau Mehriban Alijewa, kümmert sich regelmäßig um die Probleme und Sorgen der Fliichtlingskinder. Infolge der Aggression gegen die Republik Aserbaidschan wurden über 17.000 Quadratkilometer Land besetzt – rund 20% des gesamten Gebietes des Landes starben über 18.000 aserbaidschanische Staatsbürger, wurden über 50.000 Aserbaidschaner verletzt oder zu Invaliden, wurden 877 Ortschaften geplündert und zerstört sowie 100.000 Wohngebäude, über 1.000 Wirtschaftsobjekte, über 600 Schulen und Bildungseinrichtungen und 250 medizinische Einrichtungen. Die Zahl der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen (innerhalb des Landes anderorts untergebrachte Personen) erreichte eine Millionen Menschen. Nach Angaben des Kultusministeriums und des Außenministeriums der Republik Aserbaidschan wurden 20 Museen stark beeinträchtigt oder zerstört, darunter die ursprünglichen Geschichtsmuseen in Kelbadschar und Schuscha, 969 Bibliotheken, 89 Kindermusikschulen, 4 Schauspielhauser und 4 Kunstgalerien, 2 Konzertsäle, ein Denkmal der Bronzekultur in Chodschaly, zahlreiche Friedhofe, Grabstatten und Moscheen in Kelbadschar, Latschin, Gubatli (Kubatli), Sangilan, Agdam und Schuscha. Und in Armenien selbst wurden Moscheen und moslemische Friedhofe entweder zerstört oder anderweitig genutzt. Einige Moscheen wurden in Lagerhauser umfunktioniert (die Schah-Ismail-Moschee aus dem 16. Jahrhundert, die Schah-Abbas-Moschee aus dem 17. Jahrhundert, die sogenannte Blaue Moschee u.a.). Der Agcha-Wewe-Friedhof in Masis und der Tochmatsch-Friedhof in Erewan wurden aufgehoben. In Baku ist ein armenisch-christlicher Friedhof erhalten. Im Artikel von Olga Aleksandrowa „Das Chaos geht weiter“ über diese Zerstörung der aserbaidschanischen Kultur wird dies mit keinem Wort erwähnt, aber viel über die Zerstörung von Denkmalern der armenischen Kultur in Nachitschewan gesagt. Und diese selektive ,,Objektivität“ ist nicht nur diesem Autor zu eigen. Die Frage darüber, ob der militärische Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien ein Krieg war und ob in diesem Konflikt die Regeln der Kriegsführung verletzt wurden, kann ziemlich eindeutig beantwortet werden. Krieg ist eine organisierte militärische Auseinandersetzung zwischen Staaten (-Bündnissen), Völkern und Stammen, eine Entscheidung von Streitfragen mit Gewalt zwischen Staaten oder unterschiedlichen sozialen Gruppen innerhalb des Staates (Bürgerkrieg). Unter Kriegsrecht oder den Rechten der Kriegserklärung, Kriegsführung und Beendigung eines Krieges werden alle international anerkannten Vorschriften und Regeln verstanden, die von den Kriegsparteien in Bezug aufeinander, auf neutrale Staaten und auf die Zivilbevölkerung anerkannt werden. Diese Vorschriften und Regeln müssen nicht nur von Staaten oder Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen eingehalten werden. Ihre Rechte und Pflichten werden ebenfalls durch die genannten Vorschriften und Regeln bestimmt. Zwischenstaatliche Vereinbarungen bezüglich des Kriegsrechts gibt es seit 1899. Die wichtigsten Grundlagen des Kriegsrechts wurden von den Haager Konventionen von 1899 und 1907 und der Genfer Konvention (12.8.1949) über den Schutz der Kriegsopfer festgelegt. Gemäß der 3. Haager Konvention von 1907 muss ein Staat, der in einen Krieg eintritt, dem Gegner darüber offiziell vor Beginn des Krieges eine Erklärung abgeben. Offene Kriegshandlungen ohne Kriegserklärung sind ein Verbrechen. Obwohl Armenien die Okkupation von aserbaidschanischem Gebiet leugnet und versucht, den Konflikt nur als Kampf um die Abspaltung Berg-Karabachs von Aserbaidschan darzustellen, zeugen die bisher bekannten Fakten davon, dass die Aggression von Armenien gegen Aserbaidschan hauptsachlich auf Gebietsanspruche zurückzuführen ist. Im Lichte aller oben genannten Fakten ist offensichtlich, dass der armenisch-aserbaidschanische Konflikt um Berg-Karabach nicht durch die „Diskriminierung der armenischen Minderheit“ in Aserbaidschan und nicht durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im NKAO hervorgerufen wurden, sondern durch die beginnende Umsetzung lang vorbereiteter Expansionsplane, für deren Erfüllung die günstigsten Bedingungen in der Zerfallsperiode des kommunistischen Imperiums entstanden. Denn genau nach diesem Plan hat Armenien seit Februar 1988 unter der Duldung der UdSSR und dem Schweigen der Weltgemeinschaft die verfassungswidrigen Handlungen der administrativen Strukturen des NKAO und die militärische Aggression in großem Maßstab gegen Aserbaidschan organisiert.
Da sie keine international anerkannte Entscheidung des Status von Berg-Karabach haben, glauben die Armenier, dass das außerhalb seiner Grenzen besetzte Gebiet ein ,,Sicherheitsgürtel“ ist. Sie verwandelten den Gürtel der Berührung mit den gegnerischen Machten in eine ,,Maginot-Linie“: Abzug an einer Stelle bedeutet den kompletten Zusammenbruch. Für das Entfernen von dieser Linie verlangen sie auch einen zu hohen Preis“.
Der Beschluss des Obersten Sowjets der Armenischen SSR vom 1.Dezember 1989 über den Anschluss von Berg-Karabach an Armenien wurde auch nach dem Zusammenbruch der UdSSR nicht revidiert. Auf der Grundlage dieses Beschlusses wurde der ehemalige Bewohner von Berg-Karabach Robert Kotscharjan 2003 als armenischer Staatsbürger zum Präsident der Republik Armenien gewählt.’ Von 1992 bis 1997 war Robert Kotscharjan „Präsident der Republik Berg- Karabach”, 1997 wurde er vom damaligen Präsidenten der Republik Armenien Lewon Ter-Petrosjan zum Premierminister der Republik Armenien ernannt. Ein Gericht in Erewan bestätigte im Jahre 2003 die Zugehörigkeit Berg-Karabachs zu Armenien. Damals berücksichtigte das Gericht nicht die Erklärung der führenden Oppositionsparteien von Armenien, in der Zweifel über die armenische Staatsangehörigkeit Robert Kotscharjans geäußert wurden. Denn Kotscharjan, so wurde in der Mitteilung argumentiert, stamme aus Berg-Karabach und sei nach dem Zerfall der UdSSR automatisch aserbaidschanischer Staatsbürger geworden. Das Gericht in Erewan lehnte diese Erklärung mit den folgenden Worten ab: „Die Erklärung über den Beschluss der Parlamente von Berg-Karabach und der Armenischen SSR vom 1.Dezember 1989 über die Wiedervereinigung enthalt nicht nur einen territorialen Faktor, sondern auch den Faktor der Staatsbürgerschaft.“ Inzwischen konnte Herr Kotscharjan auf der Grundlage der Gesetzgebung der Republik Aserbaidschan als Bürger von Aserbaidschan dejure far mindestens 35 Verstoße gegen aserbaidschanische Gesetze strafrechtlich verfolgt werden.
So unterstützt nicht nur die Legislative, sondern auch die Jurisdiktion von Armenien die armenischen Gebietsansprüche an Aserbaidschan. Durch diese Urteile, die innerhalb Armeniens rechtskräftig sind, obwohl sie der internationalen Gesetzgebung widersprechen, wird zweifelsfrei die „Unterstützung” von Armenien im Berg-Karabach-Konflikt bewiesen und auch dass es eine militärische Auseinandersetzung zwischen Armenien und Aserbaidschan gab.
Aus dem Buch “Berg-Karabakh in der Geschichte Aserbaidschans und die Aggression Armeniens gegen Aserbaidschan” von Johannes Rau, Verlag Dr. Köster, 2009, S. 224